Dr. Carl Strutinski
Zwei Jahrhunderte Geologie
Von Abraham Gottlieb Werner zu Samuel Warren Carey
Der nächste Schritt zur Etablierung der Plattentektonik wurde von den beiden englischen Geophysikern McKenzie und Parker gemacht, die anhand der Beispielregion des östlichen Nordpazifik die Hypothese aufstellten, dass der Ozeanboden aus einem Mosaik von „Pflastersteinen“ bestehe, die durch Transform-Störungen begrenzt seien und deren Bewegung in der Art starrer Platten auf einer Kugeloberfläche abliefe (1967).
Diese Idee wird weiter von Morgan (1968) ausgebaut und verallgemeinert, der darüber hinaus auch feststellt, dass die den Ozeanboden bildenden „Pflastersteine“ nicht nur aus der relativ dünnen Kruste bestehen, sondern auch aus dem darunter befindlichen starren obersten Mantel. Morgan unterscheidet zwölf krustale Blöcke, in die die feste Oberfläche der Erde aufgeteilt ist und die von MOR, Tiefseerinnen oder Transform-Störungen untereinander begrenzt sind. Am Aufbau dieser Blöcke, die etwas später als Lithosphärenplatten bezeichnet werden sollten und für die Morgan eine Mächtigkeit von rund 100 Kilometern annimmt, beteilige sich also außer dem obersten Mantel ozeanische und kontinentale Kruste, wobei der Anteil dieser beiden Krustentypen innerhalb einer Platte zwischen Null und 100% liegen kann. Somit gäbe es rein ozeanische und kontinentale Platten sowie Platten, an deren Aufbau sowohl kontinentale als auch ozeanische Kruste beteiligt ist. Ein Beispiel dafür wäre die afrikanische Platte, die nicht nur den afrikanischen Kontinent, sondern auch Anteile des Atlantik und Indik bis hin zu den MOR mitträgt. All diese starren Platten würden die Fähigkeit haben, sich über die darunter liegende fließfähige Asthenosphäre (6) fortzubewegen.
Ein anderer Begründer der Plattentektonik, der Franzose Xavier Le Pichon (1968), geht von sechs Großplatten aus (7) und stellt mit Hilfe eines Computerprogramms die Verteilung dieser Platten auf der Erdoberfläche vor 10 beziehungsweise 60 Millionen Jahren dar. Dazu verwendet er auf seismischen und geomagnetischen Messdaten beruhende Werte für Expansionsgeschwindigkeiten und Bewegungsrichtungen. Dadurch gibt er erstmals ein auf quantitativer (allerdings abgeleiteter) Basis beruhendes dynamisches und zusammenfassendes Bild der Erdkrustenbewegungen wieder.
Was nun die Abläufe an den Rändern betrifft, an welchen zufolge der Hypothese ozeanische Platten wieder in den Mantel abtauchen – wir beziehen uns auf die Tiefseerinnen –, wird das Bild der Plattentektonik durch einen Aufsatz von Isacks, Oliver und Sykes (1968) abgerundet (Siehe folgende Abb.). In ihm argumentieren die Autoren anhand seismischer Daten, dass die Tiefseegräben Konvergenzzonen darstellen an denen ozeanische Kruste schräg in den Mantel abtaucht (= Subduktion). Innerhalb der abtauchenden spröden Kruste fänden Erdbeben statt, die die schon genannten Wadati-Benioff-Zonen verursachen. Die Autoren geben zwar zu, dass es auch andere Interpretationen gibt, die dem Subduktions-Modell widersprechen, doch werden diese mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass sie auf unzuverlässigen seismischen Daten basierten.
Subduktion einer ozeanischen unter eine kontinentale Platte
(Aus Wikipedia „Subduktion“)
Entsprechend der Plattentektonik liefe ein geotektonischer Zyklus in Verbindung mit der Öffnung eines Ozeans wie folgt ab:
Der Wilson-Zyklus.
(Aus Wikipedia, „Wilson-Zyklus“)
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Die Plattentektonik wurde - man könnte sagen, wie einst Aphrodite im Meer - im Ozean geboren. Ohne den unvergleichlichen Aufschwung, den die Meeresgeophysik während der ersten beiden Jahrzehnte des „kalten Krieges“ besonders in Amerika und in Großbritannien erlebte, würde sie wohl nie entstanden sein (Menard, 1986). Die kontinentale Geologie eroberte sie erst allmählich. Den Anstoß gaben Aufsätze von John Frederick Dewey (geb. 1937) & John M. Bird (1931), die 1970 erschienen. Darin verinnerlichten die beiden Amerikaner die Erkenntnisse der neu entstandenen Hypothese der Plattentektonik und versuchten, diese auf die alten Strukturen der Kontinente anzuwenden, insbesondere auf die Orogene. Auf ihren Ansichten beruht u.a. die heute zum Dogma gewordene Auffassung, dass Ophiolite - basische und ultrabasische Gesteine, die in fast allen Gebirgen anstehen - Spuren einstiger, längst subduzierter Ozeane oder ozeanischer Randbecken darstellen.
Die Hypothese weist jedoch auch andere Mängel auf, darunter folgende: Sie lieferte bislang keine physikalisch glaubhafte Erklärung darüber, wie eine Subduktionszone erstmals entsteht; sodann hat sie keinen angemessenen Mechanismus gefunden, der die Plattenbewegungen schlüssig erklären kann. Inzwischen sind viele Plattentektoniker von der urspünglichen Idee der Mantelkonvektion abgekommen. Auch die Annahme von Starrheit der Kruste und die Überbewertung von Kollision, dafür aber das Herunterspielen differentieller Horizontalbewegungen gehören zu den Schwächen der Plattentektonik. Wie Frankel (2012) so trefflich sagt, ist die Plattentektonik nichts weiter als eine „rein kinematische Theorie“, die in Erklärungsnot gerät, sobald nach dem Motor der Krustenbewegungen gefragt wird.
1. Innerhalb eines Kontinents entseht ein Bruch, der sich zu einem Graben oder Rift ausweitet. Heutiges Beispiel dafür wäre der Ostafrikanische Graben. Das ist das Stadium der Rift-Bildung, das Rift-Stadium.
2. Der Graben weitet sich aus und lässt ein Meer entstehen, in dem sich schon ein mittlerer Rücken entwickeln kann. Beispiel: das Rote Meer. Wir befinden uns im ozeanischen Jungstadium, auch als Rotes-Meer-Stadium bekannt.
3. Durch die kontinuierliche Ausweitung des Meeres entsteht schließlich ein neuer Ozean: Wir sind im ozeanischen Reifestadium oder im Atlantik-Stadium angelangt.
4. Danach beginnen entlang der Ränder Subduktionsprozesse, wobei die ältesten Teile der Ozeanbodenkruste in den Erdmantel abtauchen. Es ist das ozeanische Umkehrstadium. Da der Pazifik typisch für dieses Stadium ist, wird es auch als Pazifik-Stadium bezeichnet.
5. Im nächstfolgenden Stadium wird der einstige Ozean wieder zum Meer. Als Beispiel gilt das Mittelmeer. Es ist das ozeanische Endstadium oder das Mittelmeer-Stadium.
6. Letztendlich wird auch das Restmeer subduziert, und es kommt zur Kollision zwischen zwei Kontinentalblöcken. Ein neues Gebirge wird emporgehoben.Wir sind im Kollisionsstadium oder dem Himalaya-Stadium (siehe Abb.).
(6) Bedeutet soviel wie „weiche“ oder „schwache“ Sphäre, weil sie sich nicht spröde, sondern duktil verhält und fließfähig ist. Da sich in ihr die seismischen Wellen verzögert fortpflanzen, wird sie in der englischsprachigen Literatur auch noch low-velocity zone (Zone der niedrigen Geschwindigkeiten) genannt.
(7) Und zwar sind das die eurasiatische, die afrikanische, die indische, die pazifische, die amerikanische und die antarktische Platte.
Erstmals hat Tuzo-Wilson diesen Zyklus beschrieben, weshalb er unter dem Namen Wilson-Zyklus bekannt ist.