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Dr. Carl Strutinski
Zwei Jahrhunderte Geologie
Von Abraham Gottlieb Werner zu Samuel Warren Carey
Über Steigströmen wird die Kruste gedehnt und aufgewölbt, es entstehen Graben- und Bruchstrukturen. Es kann auch zum Auseinanderdriften von Krustensegmenten kommen.

In Anlehnung an die Konvektionswalzen innerhalb der Atmosphäre, hat Schwinner von Zyklonen und Antizyklonen gesprochen, die den Sink- beziehungsweise Steigströmen Ampferers entsprechen. Nur über diesen vertikal ausgerichteten Stromsegmenten wird die Kruste deformiert. Hingegen wird sie über den parallel zur Oberfläche, also horizontal sich fortbewegenden Stromsegmenten nur passiv mitgeschleppt, ohne Verformungen zu erleiden. Dieses Mitschleppen hat Schwinner mechanisch darauf zurückgeführt, dass zwischen Kruste und Untergrund Friktionskupplung wirkt.

Um die von ihm entdeckten negativen Schwereanomalien entlang des Banda-Grabens in Indonesien zu erklären, bedient sich Vening Meinesz auch einer Unterströmungshypothese. Er spricht von der „Einknickung“ der Kruste infolge des Saugeffektes von Sinkströmen. Dadurch gelangt saures Krustenmaterial geringer Dichte in große Tiefen, wo es das schwere Mantelmaterial verdrängt und dadurch Schweredefizite verursacht. Strukturen solcher Art wurden erstmals von Philip Henry Kuenen (1902-1976) experimentell erzeugt und als Tektogene bezeichnet. In einem späteren Stadium des Prozesses würde durch isostatischen Ausgleich eine Hebung des Tektogens eintreten. Ähnliche Gedanken hat auch Rittmann in seiner thermodynamisch fundierten Hypothese entwickelt.

Für Griggs ist es wichtig, dass eine glaubwürdige Hypothese zur Orogenbildung die intermittierende Natur dieser Prozesse berücksichtigt. Demzufolge nimmt er an, dass Konvektionsströme im Erdmantel, infolge des Zusammenspiels von Wärmeleitung und Konvektion und in Anbetracht der rheologischen Eigenschaften der davon betroffenen Materie, nicht kontinuierlich funktionieren, sondern von Zeiten des Stillstands unterbrochen werden. Deshalb spricht er von zyklischer Konvektion und versucht damit die Periodizität der Orogenesen zu erklären.

Kraus hat schließlich die Unterströmungshypothesen in dem Sinne weiterentwickelt, dass er die Existenz zweier Strömungsstockwerke annahm. Im oberen – dem Hyporheon – würden die tektogenen Prozesse gesteuert, die für die im senkrechten Querschnitt erscheinenden Strukturbilder der Kruste verantwortlich sind: „Man kann annehmen, dass unsere geosynklinalen Senkungszonen mit ihrer zweiseitig auswärts gerichteten Struktur und medianen Gebirgsstauung über einem Absenkungsstrom entstehen, dessen anderswo emporsteigender Stromast große Zerrungen, Grabeneinbrüche und Magmaauftriebe erzeugt“ (Kraus, 1950). Im Hyporheon sind die Achsen der Strömungswalzen horizontal ausgerichtet. Das darunter befindliche Bathyrheon solle, nach Kraus, ein überaus langsam tätiges Stromwerk enthalten, das, „abgesehen von zyklonalen Gegenuhrzeigerströmen,… eine westöstliche bzw. westnordwest-ostsüdöstliche Hauptunterströmung“ umfasst. Die Tiefe dieses Stromwerks wird auf 200-800 km geschätzt. Ihm wird die Bogenform der Inselbögen und die Existenz der Schleifen im Verlauf von Orogenen (also „planare“ Strukturbilder der Erdkruste) zugeschrieben. Desgleichen solle es die Tiefbeben verursachen.

Zwar werden Konvektionsströme im Erdmantel auch heute noch von einigen Forschern angenommen. Doch ist ihr Erscheinungsbild nicht einwandfrei geklärt und ihre Rolle in der Gestaltung der Erdkruste alles andere als erwiesen. Es gibt weiterhin gegensätzliche Hypothesen, die, ähnlich wie bei Kraus, davon ausgehen, dass der Erdmantel in verschiedene Stockwerke separater Konvektion unterteilt ist. Geophysiker sind hingegen der Ansicht, dass Konvektionsströme im Mantel nur in den obersten Bereichen von wenigen hundert Kilometern auftreten und dass sie asymmetrisch und nicht zirkulär sind. Somit wäre zumindest der Begriff „Konvektionswalze“ unpassend. Andererseits hat es schon sehr früh Stimmen gegeben, welche die Existenz von Konvektionsströmen im Mantel in Frage stellten. So meinte Reinout Willem van Bemmelen (1904-1983), dass die Differentiationsprozesse im Erdmantel die Bildung von Konvektionsströmen unterbinden würden. Demzufolge sei es „sehr fraglich, ob man die Kraftquelle der orogenetischen Bewegungen in diesen thermischen (radioaktiven) Konvektionsströmungen des Substratums suchen darf“ (van Bemmelen, 1935).
Auslösung für das Erscheinen der mobilistischen Hypothesen war anscheinend die Entdeckung der Radioaktivität Ende des 19. Jahrhunderts. Über kurz oder lang hieß das für die Erdwissenschaften, dass die Abkühlung der Erde, damit auch die thermische Kontraktion, in Frage gestellt wurde und man stattdessen damit begann über Konvektionsströme im Erdmantel, als Motoren der Krustenbewegungen, nachzudenken. Gleichfalls öffnete sich erstmals der Weg, das genaue Alter der Gesteine aufgrund der Halbwertszeiten der radioaktiven Elemente zu bestimmen.

Die Gegner der Kontraktionshypothese, die untereinander vielfach völlig verschiedene Ansichten teilten, waren sich in einem Punkte einig. Für sie alle war klar, dass die „Backen des Schraubstocks“, nämlich die Krustenteile, die die seitliche Einengung gemäß der Kontraktionshypothese bewirken sollten, nicht die mechanische Festigkeit besaßen um den Druck auf größere Entfernungen zu übertragen. So war Ampferer davon überzeugt, dass die großen Einengungsstrukturen, die er in den Alpen kennen gelernt hatte, nicht durch seitlichen Druck entstanden sein konnten. Als treibende Kräfte für die Deformierung der Erdkruste nahm er Strömungen im fließfähigem Untergrund an („Unterströmungen“). Es wurde ein System von Strömungswalzen angenommen, deren jede aus einem Sinkstrom, einem Steigstrom und je einem horizontalen Ausgleichsstrom an der Basis der Kruste und im tieferen Untergrund bestehen sollte. Als Energiequellen wurden Erdwärme sowie Schwere-Auf- beziehungsweise -Abtrieb angenommen.

Ein Sinkstrom erzeugt, diesem Modell zufolge, in der darüber gelegenen Kruste zunächst eine Einsenkung, nämlich die Geosynklinale. In dieser wird die Gesteinshülle seitlich eingeengt, nach unten gesogen („verschluckt“ ) und im Substrat assimiliert. Dabei wird in der von seitwärts nachrückenden Kruste ein tangentialer Schub wirksam, der Falten und Überschiebungen produziert und für die bilateral fächerartige Struktur der Orogene verantwortlich ist (Abb. aus Kraus, 1932).


a. Unterströmungshypothesen

Es gibt für fast jede umwälzende Idee einen oder mehrere Vorläufer, die ihrer Zeit immer weit voraus sind. Im Falle der Unterströmungshypothesen waren das die Engländer William Hopkins (1793-1866) und Reverend Osmond Fisher (1817-1914). 1839 wurden Konvektionsströme im Krustenuntergrund erstmals von Hopkins in Erwägung gezogen. 1881 erschien dann das Werk Osmond Fishers „The Physics of the Earth’s Crust“ in dem Konvektionsströme im geschmolzenen Inneren der Erde angenommen wurden. Doch wird die erste Hypothese, die thermische Konvektionsströme beim Verfrachten und Zusammenschub von Krustenteilen annahm, dem österreichischen Alpengeologen Otto Ampferer (1875-1947) zugeschrieben. Danach nimmt die Zahl der Autoren, die postulierte Konvektionsströme in ihre geotektonischen Überlegungen einbezogen haben, kontinuierlich zu. Ich nenne nur einige der bedeutenderen Namen, denen wir zum Teil noch später begegnen werden: Robert Gangolf Schwinner (1878-1953), Arthur Holmes (1890-1965), der auch die ersten radiometrischen Alter von Gesteinen ermittelte, Chaim Leib Pekeris (1908-1993), Felix Andries Vening-Meinesz (1887-1966), David Tressel Griggs (1911-1974) und Ernst Kraus (1889-1070). Die Annahme von Konvektionsströmen im Krustenuntergrund ließ zum mindesten einen mobilistischen Ansatz erkennen, wenngleich man erst die Kontinentverschiebungshypothese Wegeners (s.weiter unten) klar dem Mobilismus zuordnen kann.
Überangebot an Hypothesen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - Antwort auf die Krise der Kontraktionshypothese

Wir haben bis jetzt schon dem Nebeneinander jeweils zweier gegensätzlicher Anschauungen beigewohnt: Neptunismus – Plutonismus, Diluvianismus – Katastrophismus, Katastrophismus – Aktualismus; Umkehrbarkeit – Nichtumkehrbarkeit (Permanenz) von Kontinenten und Ozeanen. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts bahnt sich ein neuer Antagonismus an und zwar der zwischen Fixismus und Mobilismus. Das ist ein auf Émile Argand (1879-1940) zurückgehendes Begriffspaar, das zwischen zwei entgegengesetzten Sichtweisen betreffend Ortsfestigkeit der Kontinente unterscheidet. Im Falle der fixistischen Hypothesen wird angenommen, dass Kontinente fest mit ihrer Unterlage verbunden sind und sich nicht gegeneinander verschieben während bei den mobilistischen Hypothesen großräumige Wanderungen der Kontinentalschollen in Erwägung gezogen werden. Entsprechend diesen Grundvoraussetzungen spielen bei den fixistischen Hypothesen vor allem vertikale, bei den mobilistischen dagegen horizontale Bewegungen die Hauptrolle in der Gestaltung der Erdkruste.

Alle bisher besprochenen Hypothesen waren fixistisch. Wenngleich Schrumpfung des Untergrundes, wie sie die Kontraktionshypothese annimmt, unweigerlich auch ein Abscheren der Kruste entlang ihrer Basis und eine, zugegebenermaßen kurze, „Wanderung“ über diesen Untergrund voraussetzt, bleibt dennoch großtektonisch betrachtet ein Orogen immer nur auf den Kontinent beschränkt, auf dem wir ihn vorfinden. Als klassische Beispiele für Überschiebung durch Abscherung im Sinne der Kontraktionshypothese gelten in den Alpen die Glarner Decke und im nordamerikanischen Felsengebirge die Lewis Überschiebung, bei der über 1000 Ma alte Gesteine“junge“ Kreide- und Tertiärformationen auf einer Strecke von über 80 km überfahren haben (siehe Abb. aus Wikipedia).
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b. Pulsationshypothese

Andere Deutungsversuche, ausgehend von zyklischen Prozessen in der Kruste und im Mantel, sind die als fixistisch zu betrachtende Hypothese der thermischen Zyklen und/oder die Pulsationshypothese. Sie sind unter anderen an Namen wie John Joly (1857-1933), Mikhail Antonovich Usow (1883-1939) und Vladimir Afanasyevich Obrutschew (1863-1956) gebunden. Ihre Anfänge gehen auf das erste Viertel des 20. Jahrhunderts zurück. Statt einfach Schrumpfung infolge stetiger Abkühlung anzunehmen, bringen diese Hypothesen die Erkenntnis der Wärmeproduktion durch radioaktiven Zerfall ins Spiel und setzen in der Entwicklung der Kruste einen zyklischen Wechsel zwischen Aufwärmung und Abkühlung voraus, der Pulsationen verursacht, also abwechselnd Expansion und Schrumpfung des Planeten. In Phasen der Expansion finden Aufschmelzungsvorgänge statt und damit verbunden gewaltige magmatische Eruptionen. Die Entstehung großer Grabenbrüche und die Herausbildung der Geosynklinalen ist auch an diese Zeitabschnitte gebunden. Während der Abkühlungsphasen findet hingegen Schrumpfung und Faltung statt, ähnlich wie das die Anhänger der Kontraktionshypothese zu erklären versucht hatten.
Der Anklang dieser Hypothesen war relativ bescheiden, nicht zuletzt weil sie sich, was die Zusammenstauchung der Kruste betrifft, denselben Einwänden ausgesetzt sahen, die auch gegen die Schrumpfungshypothese vorgebracht wurden.
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