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Dr. Carl Strutinski
Zwei Jahrhunderte Geologie
Von Abraham Gottlieb Werner zu Samuel Warren Carey
f. Undationshypothese

Verwandt mit der Oszillationshypothese Haarmanns ist die Undationshypothese, die der niederländische Geologe van Bemmelen Anfang der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufstellte. Auch auf fixistischer Grundlage aufgebaut, nimmt diese Hypothese als Grund für die Ungleichgewichte innerhalb des Erdkörpers nicht kosmische Einflüsse, wie die Oszillationshypothese, sondern physikalisch-chemische Vorgänge im Erdmantel an. Im Besonderen sind es Differentiationsprozesse, die hydrostatische und isostatische Ungleichgewichte erzeugen und die endogene Energie der Erde freisetzen. Entsprechend der ursprünglichen Ansicht van Bemmelens wird ein Urmagma in einen sauren SiAl-Anteil und einen basischen SiMa-Rest aufgespalten. Der saure Anteil drängt als Asthenolith hydrostatisch nach oben und breitet sich da seitwärts aus, während die simatischen Saigerungsprodukte absinken und gleichfalls seitwärts „verfließen“ bis sich ein Gleichgewicht einstellt.

Die Aufwärtswölbung der Asthenolithen und ihre seitliche Ausbreitung wird als Undation bezeichnet, wobei van Bemmelen nach dem Ausmaß der Prozesse fünf Klassen unterscheidet (Mega-, Geo-, Meso-, Minor- und Lokal-Undationen). Für die globale Tektonik, Neu-Ozeanbildung und Kontinentaldrift sind Mega-Undationen verantwortlich, während die Gebirgsbildung auf Meso-Undationen zurückzuführen sei.
Van Bemmelen meint, dass sich – je nachdem, ob das hydrostatische Aufpressen des SiAls oder das Verfließen des SiMas rascher stattfindet – im Untergrund einer Meso-Undation zeitweilig Masseüberschuss bzw. Massedefizit bemerkbar machen, und fährt fort: „Es wäre … zu erwarten, dass die Ausgleichsbewegungen der simatischen Massen eher einsetzen und schneller verlaufen als die der salischen Anhäufungen. Ein Gebirgszug in statu nascendi, dessen isostatische Emporhebung erst begonnen hat, wird also eine unterkompensierte salische Wurzel aufweisen und zu beiden Seiten von Zonen mit Massenüberschuss begrenzt sein.“ (Van Bemmelen, 1935). Es ist sehr wahrscheinlich, dass van Bemmelen diese Behauptung aufgestellt hat, um die Schwereanomalien erklären zu können, die ungefähr um die Zeit, als er seine Hypothese aufstellte, von Vening Meinesz vor Niederländisch Indien (Heute Indonesien) festgestellt wurden. Dort handelt es sich um eine langgestreckte Zone negativer Anomalien (durch unterkompensierte salische Wurzel hervorgerufen?), die in ungefähr dem nichtvulkanischen Inselbogen entspricht, der den Sunda-Inseln vorgelagert ist. Dieses Band negativer Anomalien wird beidseitig von positiven Anomalien begleitet (Zonen mit Massenüberschuss?), deren Kontinuität allerdings nicht so ausgeprägt ist.

Van Bemmelen interpretiert die neogene Entwickung dieses ganzen Gebietes, in dem er viele Jahre Geländearbeiten durchgeführt hat, wie folgt: In einer ersten orogenen Phase vollzog sich die Aufwölbung einer Mittelschwelle, entsprechend den Sunda-Inseln. Danach fand die Teilung dieser Mittelschwelle in einen vulkanischen Innenbogen und einen nichtvulkanischen Außenbogen statt und dann, in einer zweiten Phase, die Verlagerung der Großfaltenwelle (Meso-Undation) beiderseits nach außen. Dieser Art habe sich gegenwärtig der nichtvulkanische Außenbogen zur Mittelschwelle entwickelt, die sich allerdings erst in einem Anfangsstadium der Heraushebung befinde.

Von der Anlage her sollte man erwarten, dass sich eine „Großfaltenwelle“ symmetrisch und gleichwertig ausbreitet. Dem ist aber nicht so. Es entsteht eine Asymmetrie oder Polarität (vulkanischer bzw. nichtvulkanischer Bogen), die van Bemmelen zwar zur Kenntnis nimmt, aber nicht erklären kann. Desgleichen ist nicht nachvollziehbar, weshalb nach der Teilung der Mittelschwelle und der Wanderung nach außen nur eine und nicht zwei symmetrisch angeordnete migrierte Teilschwellen fortbestehen sollten. Dazu gibt nämlich die Anordnung der Schwereanomalien im Malaiischen Archipel, aber auch anderswo überhaupt keine Veranlassung.

Nicht ohne Grund sind wir auf das Problem des Malaiischen Archipels näher eingegangen, denn das ist genau der Raum, von dem Kuenen und Hans Cloos (1885-1951) behauptet haben, dass es den Mittel- und Prüfpunkt der gesamten Tektonik darstelle.

Mehr als 30 Jahre nach der Veröffentlichung der Undationshypothese hat van Bemmelen seine Ansichten dahingehend geändert, dass er annahm, dass das SiAl nicht durch Differentiation aus einem Urmagma, sondern durch Niederschlag eines meteoritischen inneren Staubrings der Erde in geologischer Frühzeit entstand. Dadurch mussten einige ältere Annahmen seiner Hypothese verändert werden, doch sind die Unterschiede für unsere Belange unerheblich.
Was bei der Durchsicht von van Bemmelens Hypothese einem „Kristallingeologen“ wie mir auffällt, ist, dass er in seinen geotektonischen Überlegungen, genau wie auch Haarmann, den metamorphen Gesteinen überhaupt keine Bedeutung beimisst. Waren es bei Haarmann besonders die Sedimentgesteine, die dieser Autor im Blickwinkel hatte, sind es bei van Bemmelen die Magmagesteine. Diese beiden Extremfälle im bunten Felde der geotektonischen Hypothesen eignen sich gut dazu, Haarmanns Aussage zu illustrieren, der da sagte: „Ein jeder sieht, was er im Herzen trägt (und in Gedanken, könnten wir hinzufügen), und so bekommt die Beobachtung persönliche Färbung.“ (Haarmann, 1930).



g. Ozeanisierungshypothese

Das kann man ruhig auch von dem nächsten Erdwissenschaftler behaupten, dessen Name an eine geotektonische Hypothese gebunden ist. Wir reden von dem Russen Beloussov (1907 – 1990) und seiner Ozeanisierungshypothese, die er Anfang der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts veröffentlichte. Er bringt nämlich in die geotektonischen Überlegungen die in alten Schilden und Plattformen gewonnenen Einsichten ein, wo doch bisher überwiegend Erkenntnisse zum Zuge gekommen waren, die in relativ jungen Orogengürteln gemacht wurden. Seine Hypothese weist Gemeinsamkeiten mit den Hypothesen Haarmanns und van Bemmelens auf und gehört wie auch diese zu den fixistischen Hypothesen. So lehrt Beloussov, dass die Krustenblöcke, die die Kontinente und Ozeane tragen, fest mit ihrem Untergrund verbunden sind und dass infolgedessen horizontale Verschiebungen, wie sie beispielsweise Wegener annahm, völlig auszuschließen sind. Einengende Bewegungen wie Faltungen sind sekundäre Erscheinungen, die durch die primären, vertikalen Oszillationen unter dem Einfluss der Schwerkraft hervorgerufen werden.

Die Ursache der Vertikalbewegungen stellen einerseits Differentiationsprozesse wie bei van Bemmelen, andererseits aber Assimilierungsprozesse dar, wobei es den Anschein hat, dass in einer ersten Entwicklungsphase, dem so genannten Geosynklinal- und Plattform- oder Granit-Stadium, Differentiationen vorgeherrscht haben, während ungefähr ab Ende des Paläozoikums im darauf folgenden Basalt-Stadium vermehrt Assimilierung stattfand.

Beloussov geht davon aus, dass am Ende des Paläozoikums die ganze Erde von kontinentaler Kruste bedeckt war. Diese hatte sich nach und nach herausgebildet und zwar infolge von zyklisch ablaufenden Differentiationsprozessen im oberen Mantel und den hierdurch hervorgerufenen Asthenolithen. In der Auffassung Beloussovs waren das riesige Ansammlungen basaltischen Magmas, die vertikal nach oben drängten und in den schon verfestigten Krustenteilen Schmelzen granitischer Zusammensetzung und/oder Metamorphose hervorriefen.

Während des Granit-Stadiums soll es noch keine Ozeanbecken, sondern bloß seichte (epikontinentale) Meere gegeben haben.

Gegen Ende des Paläozoikums fand eine fundamentale Änderung des Prozessablaufs statt. Radioaktive Erwärmung produzierte so große Mengen basaltischer Schmelzen, dass diese die schon gebildete kontinentale Kruste basifizierten und lokal völlig aufzulösen vermochten. Es fanden Basaltergüsse über immense kontinentale Flächen statt (Plateaubasalte), und es entstanden die Ozeanbecken durch die fast völlige Assimilierung der granitischen Kruste und das gravitative Absinken der schwereren neu entstandenen basaltischen Kruste. Beispiele für unvollständig assimilierte kontinentale Kruste innerhalb der Ozeane sollen die granitischen Seychellen-Inseln im Indischen Ozean und die Rockall-Klippe westlich von Schottland im Atlantik sein. Im Laufe desselben Prozesses wurden die Becken von den Wassermassen gefüllt, die durch die Auflösung der granitischen Gesteine freigesetzt wurden.

Dieses so genannte Basalt-Stadium soll größtenteils in der oberen Kreide abgeschlossen gewesen sein. Seither habe sich nach Beloussov ein Gleichgewicht eingestellt, und Bildung ozeanischer Kruste finde jetzt bevorzugt entlang der mittelozeanischen Rücken statt. In seiner Auffassung stellen die schrägen Tiefenbrüche (Benioff-Zonen), die den Pazifik umgeben, Trennungslinien zwischen Gebieten mit kontinentaler Differenzierung und solchen mit ozeanischer Homogenisierung dar.
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