Vor 25 Jahren starb Ott Christoph Hilgenberg, der sich als Ingenieur, Naturwissenschaftler und Humanist um die Technische Universität Berlin und ihre Vorgängerin, die Technische Hochschule Berlin in besonderer Weise verdient gemacht hat. Seinem wissenschaftlichen Lebenswerk haftet noch immer ein besonderes Geheimnis an.
Nach dem Kriegsabitur 1914 wurde der in Grebenstein bei Kassel geborene Hesse zum Wehrdienst eingezogen. Mit durchschossenem Knie kam er aus dem 1. Welt-krieg zurück und studierte an der Technischen Hochschule (TH) Elektromaschinen-bau. Als Dipl.-Ing. blieb er bis 1924 als Assistent am gleichnamigen Lehrstuhl.
Von Alfred Wegener, dem Entdecker der "driftenden Kontinente", fasziniert, versuchte Hilgenberg 1933 seine eigenen Erkenntnisse zur "expandierenden Erde" mit Wegeners Konzept zu verknüpfen. Grundlage seines Konzeptes ist die Tatsache, dass alle Festländer der Erde nahtlos als eine in sich geschlossene Erdkruste zueinander passen, wenn der Erddurchmesser ungefähr halb so groß ist wie heute. Genau wie Wegener wurde auch Hilgenberg mit seiner Theorie von der etablierten Wissenschaft in Deutschland ignoriert oder abgelehnt.
Von 1934-38 war Hilgenberg ständiger Assistent und Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Getriebelehre, ohne jedoch seine gesteinsphysikalischen Untersuchungen aufzugeben. Obwohl er bereits über mehrere Semester mit Lehraufgaben in der Getriebetechnik betraut worden war, scheiterte eine TH-Professur an seiner Weigerung, Mitglied der NSDAP zu werden. Er bevorzugte das entbehrungs-reichere Dasein als freier Forscher. Als Volkssturm-Mann zur Verteidigung der TH eingesetzt, wurde er erneut schwer verwundet. Körperlich angeschlagen durfte er Referent an der TH-Bibliothek für das in- und ausländische Schrifttum im Maschinenbau und in der Feinwerktechnik werden.
Seinem Geschick im Umgang mit den britischen Kommandostellen war es zu verdanken, dass 10.000 technische Bücher der ehemaligen Luftkriegsakademie in Gatow für die Bibliothek der Hochschule freigegeben wurden. Außerdem holte er mit dem LKW beschlagnahmte Bücher aus der sowjetischen Besatzungszone zurück. Für die Alliierten war er einer der wenigen "anderen" deutschen Wissenschaftler an der NS-belasteten TH, die sie zum Neuanfang mit einer künftig weltoffenen Technischen Universität Berlin ermutigten. Als er dafür einige Jahre später für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden sollte, wehrte Hilgenberg ab.
1948 promovierte er zum Dr.-Ing. In den 50er Jahren arbeitete er daran, sein Konzept von der expandierende Erde, das er in sechs Paläogloben darstellte, weiter zu untermauern. 1974 erschien sein Hauptwerk "Geotektonik, neuartig gesehen". Die Fachwelt reagierte darauf erneut verhalten bis ablehnend.
1976 starb Hilgenberg in Berlin. Nachdem Wegener mit 40-jähriger Verzögerung über die USA auch in Deutschland eine grundsätzliche Rehabilitierung erfahren hat, zeichnet sich jetzt - nach fast 70 Jahren - auch für Hilgenberg eine Anerkennung ab.
Am 26. Mai 2001 fand im Niedersächsischen Bergbaumuseum in Lautenthal/Harz ein wissenschaftliches Kolloquium zum Thema: "Erdexpansion - verkannte geowissenschaftliche Theorie?" statt.